Im November 1998 hatte A eine gewalttätige Auseinandersetzung mit verschiedenen Personen. Als Folge eines Faustschlages ins Gesicht zog er sich Verletzungen am linken Auge zu. A stellte beim Sozialamt des Kantons Luzern Entschädigungsund Genugtuungsansprüche nach dem OHG. Nachdem das Hauptverfahren sistiert worden war, ersuchte er um Vorschussleistungen nach Art. 15 OHG. Zur Begründung brachte er vor, er könne zur Zeit lediglich noch zu 80% arbeiten, weil er wegen der erlittenen Schädigung eine Umschulung absolviere. Es sei mit Lohnausfallsund Umschulungskosten von Fr. 60000.- zu rechnen. Das Kantonale Sozialamt wies das Gesuch um Vorschussleistungen ab. Das Verwaltungsgericht hiess eine dagegen eingereichte Beschwerde gut und wies die Sache zur weiteren Abklärung und neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
Aus den Erwägungen:
3. - a) Die Vorinstanz hat das Gesuch um Ausrichtung eines Entschädigungsvorschusses wegen Fehlens eines opferhilferechtlich relevanten Schadens abgewiesen. Zur Begründung führte sie dabei im Wesentlichen aus, bei der Ausbildung zum «Fachmann für visuelle Kommunikation» handle es sich um eine Weiterbildung, welche den Beschwerdeführer zur Übernahme einer Kaderfunktion auf der Stufe des unteren und mittleren Kaders in der graphischen Industrie befähige. Heute sei er als Offsetdrucker mehrheitlich an Maschinen tätig, als Kaderangestellter käme zu dieser Arbeit insbesondere Bürotätigkeit dazu. In Bezug auf diese Tätigkeit könne aber nicht gesagt werden, dass er weniger auf sein Augenlicht angewiesen wäre. Die Weiterbildung des Beschwerdeführers stelle somit im haftpflichtrechtlichen Sinne (zum heutigen Zeitpunkt) keine medizinische Notwendigkeit dar. Es sei deshalb nicht von einer (medizinisch notwendigen) Umschulung, sondern von einer beruflichen Weiterbildung, bzw. von einem beruflichen Aufstieg auszugehen.
b) (...)
4. - a) Strittig ist zwischen den Parteien allein die Frage, ob mit Bezug auf die geltend gemachten Lohnausfallund Umschulungskosten im heutigen Zeitpunkt ein haftpflichtrechtlicher Schaden gegeben sei nicht. Gemäss Art. 12 Abs. 1 OHG hat das Opfer Anspruch auf Entschädigung für den durch die Straftat erlittenen Schaden, wenn seine anrechenbaren Einnahmen eine gewisse Einkommensgrenze nicht übersteigen, wobei das OHG keine eigenen Einkommenslimiten aufstellt, sondern auf das Bundesgesetz über die Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenenund Invalidenversicherung verweist. Der Entschädigungsanspruch ist subsidiär im Verhältnis zu Ansprüchen des Opfers gegenüber Dritten (Art. 14 OHG). Der Geltungsbereich des OHG umfasst nur Opfer, die durch eine Straftat in ihrer körperlichen, sexuellen psychischen Integrität unmittelbar beeinträchtigt worden sind (Art. 2 Abs. 1 OHG). Demgemäss fallen jedenfalls Körperschaden und reiner Versorgerschaden unter den Schadensbegriff nach OHG. Zum Körperschaden zählt praxisgemäss auch der Verdienstausfall. Für die Bemessung des Schadens sind die Regeln des Privatrechts analog anwendbar (Gomm/Steiner/Zehntner, Kommentar zum Opferhilfegesetz, Bern 1995, N 4 ff. zu Art. 13 OHG mit Hinweis auf die Botschaft zum OHG, S. 991). Danach besteht ein haftpflichtrechtlicher Schaden in der Differenz zwischen dem gegenwärtigen Stand des Vermögens des Geschädigten und dem Stand, den das Vermögen ohne das schädigende Ereignis hätte (Brehm, Berner Kommentar, VI/1/3/1, 2. Aufl., Bern 1998, N 70 zu Art. 41 OR). Unter dem Gesichtspunkt der Schadenminderungspflicht kann sich bei Personenschäden unter anderem die Frage nach einem möglichen Berufswechsel einer Umschulung innerhalb des bisherigen Berufs stellen (zum Ganzen: Brehm, a.a.O., N 51 zu Art. 44 und N 58 zu Art. 46 OR; Oftinger/Stark, Schweizerisches Haftpflichtrecht I, 5. Aufl., Zürich 1995, Rz. 131). Die Kosten für eine Umschulung sind dabei vom Haftpflichtigen zu tragen bzw. vorzuschiessen (BGE 60 II 230; Oftinger/Stark, a.a.O., Rz. 132) und demgemäss dem Schaden zuzurechnen.
b) Eine Umschreibung dessen, was als Umschulung zu gelten hat, findet sich - soweit ersichtlich - im Privatrecht nicht. Mit Blick auf die hier strittige Frage liegt es deshalb nahe, die diesbezüglichen Regeln des Gesetzes über die Invalidenversicherung (IVG) und die hiezu ergangene Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts (EVG) zumindest sinngemäss heranzuziehen, zumal den Wiedereingliederungsmassnahmen der Eidgenössischen Invalidenversicherung auch im Bereich des Haftpflichtrechts Bedeutung zukommt (vgl. Brehm, a.a.O., N 51 zu Art. 44 OR; BGE 99 II 214 ff.). Nach der Rechtsprechung des EVG ist unter Umschulung grundsätzlich die Summe der Eingliederungsmassnahmen berufsbildender Art zu verstehen, die notwendig und geeignet sind, dem vor Eintritt der Invalidität bereits erwerbstätig gewesenen Versicherten eine seiner früheren annähernd gleichwertige Erwerbsmöglichkeit zu vermitteln. Dabei bezieht sich der Begriff der «annähernden Gleichwertigkeit» nicht in erster Linie auf das Ausbildungsniveau als solches, sondern auf die nach erfolgter Eingliederung zu erwartende Verdienstmöglichkeit. In der Regel besteht nur ein Anspruch auf die dem jeweiligen Eingliederungszweck angemessenen, notwendigen Massnahmen, nicht aber auf die nach den gegebenen Umständen bestmöglichen Vorkehren (statt vieler: BGE 124 V 109 f. Erw. 2a auch zum Folgenden, mit Hinweisen). Der Umschulungsanspruch im Bereich der Invalidenversicherung setzt eine Invalidität die unmittelbare Bedrohung durch eine solche voraus (Art. 8 Abs. 1 IVG). Als invalid im Sinne von Art. 17 IVG gilt, wer nicht hinreichend eingegliedert ist, weil der Gesundheitsschaden eine Art und Schwere erreicht hat, welche die Ausübung der bisherigen Erwerbstätigkeit ganz teilweise unzumutbar macht. Dabei muss der Invaliditätsgrad ein bestimmtes erhebliches Mass erreicht haben; nach der Rechtsprechung ist dies der Fall, wenn der Versicherte in den ohne zusätzliche berufliche Ausbildung noch zumutbaren Erwerbstätigkeiten eine bleibende längere Zeit dauernde Erwerbseinbusse von etwa 20 Prozent erleidet.
c) Nach eigenen Angaben absolviert der Beschwerdeführer die Ausbildung zum diplomierten Fachmann für visuelle Kommunikation ausschliesslich deshalb, weil dies ihm ermögliche, Abwechslung in seine berufliche Tätigkeit zu bringen und nicht mehr ausschliesslich am Bildschirm arbeiten zu müssen. Dadurch soll eine allfällige Arbeitsunfähigkeit von vornherein vermieden werden. (...) Die vorhandenen Arztberichte wie auch die übrigen Akten enthalten jedoch keinerlei Angaben darüber, ob bzw. inwiefern mögliche Spätfolgen eine weitere Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit allenfalls in Frage stellen könnten. Aufgrund des derzeitigen Aktenstandes lässt sich denn auch in keiner Weise beurteilen, ob die in den Arztberichten beschriebenen möglichen Komplikationen die bisherige Berufsausübung derart beeinträchtigen könnten, dass eine Umschulung medizinisch angezeigt wäre. Diesem Umstand kommt mit Bezug auf die Frage, ob die fraglichen Umschulungskosten als Schaden im Sinne von Art. 12 OHG zu qualifizieren sind, aber entscheidende Bedeutung zu. Der Sachverhalt erweist sich in dieser Hinsicht illiquid. Es ist in menschlicher Hinsicht zwar nachvollziehbar und verdient grundsätzlich auch Respekt, wenn der Beschwerdeführer im Hinblick auf eine allfällige Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes aus eigener Initiative sich darum bemüht, Massnahmen zur Sicherung seines zukünftigen beruflichen Fortkommens zu treffen und unter diesem Gesichtspunkt selbst eine berufsbegleitende Ausbildung auf sich nimmt. Für die vorläufige Übernahme von Umschulungskosten gestützt auf das OHG ist nach dem Ausgeführten jedoch vorauszusetzen, dass der in Frage stehende Gesundheitsschaden grundsätzlich eine Art und Schwere erreicht, welcher aus medizinischer Sicht eine Umschulung notwendig erscheinen lässt. Eine diesbezügliche Beurteilung hat - jedenfalls summarisch - auch in einem Fall wie dem vorliegenden zu erfolgen, in welchem der Betroffene zwar noch nicht an so schwerwiegenden physischen Beeinträchtigungen leidet, welche als solche eine Umschulung geboten erscheinen liessen, die Gefahr für spätere Komplikationen aber gegeben ist. Ohne medizinische Begutachtung, welche sich zu dieser Frage äussert, kann im heutigen Zeitpunkt nicht beurteilt werden, ob die Kosten für die Umschulung überhaupt dem Schaden gemäss Art. 12 OHG zugerechnet werden können. Der Sachverhalt bedarf in dieser Hinsicht weiterer Abklärungen. (...) Was im Weiteren die Frage der Qualifikation des begonnenen Bildungsganges zum Fachmann für visuelle Kommunikation anbelangt, ist in Anlehnung an die wiedergegebene Begriffsumschreibung vorab nicht auf das in den Schulungsunterlagen umschriebene Ausbildungsziel, nämlich die «Qualifizierung für eine Kaderfunktion auf der Stufe unteres und mittleres Kader in der grafischen Industrie», abzustellen. Als Gradmesser haben vielmehr auch die nach dem Erwerb des Diploms zu erwartenden Verdienstaussichten zu gelten. Im Rahmen der weiteren Sachverhaltsabklärung ist die Vorinstanz daher gehalten, auch in dieser Hinsicht weitere Informationen einzuholen.
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